Archive for the ‘Innen- und Rechtspolitik’ Category

h1

Polizeieinsatz gegen Dresden-Nazifrei

2011/02/21

Bezüglich der erfolgreich verhinderten Nazi-Aufmärsche in Dresden ist in den Mainstream-Medien vor allem von Krawallen und Gewalt Linksautonomer die Rede. Diese sind auf jeden Fall vollkommen abzulehnen. Diese Gewalttaten, vor allem gegen Polizisten, sind in keiner Weise zu rechtfertigen, und sie schaden dem kompletten Kampf gegen den Rechtsextremismus. (Jedoch stehen sie auch keinesfalls für die ganz überwiegend friedlichen Aktionen der Mehrheit der Demonstranten, die in einem breiten Bündnis über die verschiedensten Lager friedlich demonstrierten und die Nazis zu blockieren versuchten.)

Fast vollständig verschwiegen werden hingegen gewaltsame Aktionen der Neonazis, wie Angriffe auf ein alternatives Kulturzentrum unter den Augen der Polizei sowie Übergriffe der Polizei gegen friedliche Demonstranten. Doch folgenreicher aber ist wohl Folgendes:

Im Anschluss an die Demos stürmte ein Einsatzkommando des LKA Dresden das „Haus der Begegnung, in der sich unter anderem das Pressezentum des Bündnisses Dresden-Nazifrei (inzwischen ist auch ihre Website nicht zu erreichen) und eine Geschäftsstelle der Partei Die Linke befinden.

Weiterlesen auf GuardianoftheBlind.de

h1

Die Integrationsdebatte als Ablenkungsmanöver

2010/11/04

In Deutschland haben wir viel weniger ein Integrations-, denn ein soziales Problem. Nicht Herkunft oder Religion, vielmehr ist die soziale Spaltung die Ursache der meisten gesellschaftlichen Missstände. Die derzeitige Integrationsdebatte ist in erster Linie eine reine Show, die von diesen realen Problemen ablenken soll. Auch die derzeit stark ins öffentliche Interesse geratenen Fehler der Bundesregierung stehen auf diese Weise nicht mehr im Mittelpunkt. Doch indem immer stärker Politiker aus bürgerlichen Parteien auf rechte Parolen setzen, werden ausländerfeindliche Einstellungen in der Bevölkerung noch weiter gefördert – und sie sind schon jetzt erschreckend verbreitet. Dadurch könnten vielleicht auch Kräfte des rechten Randes einen Aufschwung erfahren.

Ein paar Fakten zu „deutschenfeindlicher Gewalt“ und kriminellen Muslimen

Sind integrationsunwillige Ausländer, ist deutschenfeindliche Gewalt tatsächlich das dringendste Problem in Deutschland? Gerne, aber dabei unvollständig bis falsch zitiert wurde in den vergangenen Wochen eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN). Angeblich, so die mediale Darstellung, besage diese, dass zwischen Religiosität und Gewaltbereitschaft ein signifikanter Zusammenhang bestünde – eine falsche Darstellung. Auch eine deutlich genauere und wissenschaftlich sauberere Studie der EU stellt fest, dass zwischen Religiösität und Jugendgewalt kein Zusammenhang besteht. Eher verantworlich seien persönlich erfahrene Diskriminierung, gesellschaftliche Ausgrenzung sowie das engere persönliche Umfeld. Die KFN-Studie besagt außerdem, so Direktor Christian Pfeiffer, dass es keine generelle Deutschenfeindlichkeit gebe und dass die vermeintliche Deutschenfeindlichkeit vermutlich vor allem mit Enttäuschung über mangelnde Integration zu tun habe.

Die Bundesregierung aber gibt sich alle Mühe, Linksextremismus, Islamismus und „deutschenfeindliche Gewalt“ durch muslimische Jugendliche als größte und konkreteste Bedrohung Deutschlands darzustellen. Dazu zunächst ein paar aktuelle Fakten: Die Bundesregierung, speziell Familienministerin Schröder, will nicht nur Opfer rechtsextremistischer, sondern auch linksextremistischer oder islamistischer Gewalt unterstützen und hat ihre Programme entsprechend ausgeweitet. Wie sieht es bisher aus? Nun, von Opfern rechtsextremer Straftaten liegen bisher 71 Anträge vor – von Opfern linksextremistischer oder islamistischer Gewalt kein Einziger. Dieselbe Kristina Schröder erzählt ja nun gerne an jeder Ecke, dass sie schon mal als „deutsche Schlampe“ beschimpft worden sei. Was – laut Schröders eigenen Angaben – wirklich hinter dieser Geschichte steckt, kann man beim Politblogger lesen, der auch alles Nötige dazu sagt.

Weiterlesen auf GuardianoftheBlind.de

h1

Mit allen Mitteln gegen links

2010/07/22

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das die Überwachung der Partei Die Linke wie auch einzelner Mitglieder und sogar Abgeordneter dieser zulässt, reiht sich ein in eine reihe von vielen Vorgängen, mit der die rechtskonservativen und neoliberalen Kräfte v.a. seit der letzten Bundestagswahl mit allen Mittel die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung der Linken auf Bundesebene verhindern wollen. (Und damit noch einmal detaillierter zu einem Thema, das im vorherigen Artikel über den Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit als politischen Totschlagargument etwas zu kurz kam).


Seit dem Jahr 2008 ist das neoliberale, finanzmarktgetriebene kapitalistische Regime unter zunehmende Kritik von verschiedensten Seiten geraten. Auch von einstigen bedingungslosen Apologeten dieses Systems gab es nicht nur kleinlaute Zugeständnisse, dass die eigene Ideologie vielleicht doch nicht ganz so unfehlbar sei, sondern teils sogar direkte Rufe nach einer Umkehr, nach einer Dämmung der immer potentiell instabilen bis zerstörerischen Kräfte weltweit ungezügelt marodierenden Finanzkapitals. Erfolgt ist wenig. Selbst die allernotwendigsten Vorkehrungen wurden nach großer Anlaufzeit nur in Ansätzen angegangen. Bei der nächsten Finanzkrise wird man vielleicht ein winziges Quantum mehr gewappnet sein, unwahrscheinlicher ist diese indes kaum geworden. Das meiste waren Alibi-Maßnahmen, der Kern des Systems blieb unangetastet, nur an der ganz äußeren Hülle gab es ein paar kosmetische Veränderungen.

Der neoliberale Staat hat gezeigt, dass er weiterhin gewillt ist, den Finanzmarktkapitalismus, selbst zu den allerhöchsten Kosten für die Allgemeinheit, aufrechtzuerhalten. Das System wurde geschützt und bewahrt. Im September 2009 wählte die deutsche Bevölkerung gar die wirtschaftliberalsten Kräfte in die höchsten Staatsämter, diejenigen, die noch weniger als mancher neoklassische Professor aus der Finanzkrise gelernt hatten.

Für die Opposition hätte sich die Chance geboten, als linke Alternative dem Marktfundamentalismus und Rechtskonservatismus wirksame Konzepte entgegenzuhalten. Die Möglichkeiten waren reichlich vorhanden: Angela Merkel war mit ihrer neoliberalen wirtschaftspolitischen Linie, die deutsche Wirtschaft nur auf ihre Exportfähigkeit zu reduzieren, auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung in den anderen Ländern und in Deutschland selbst, in der Europäischen Union unter heftige Kritik geraten und weitgehend isoliert. Hier hätte man dem seitens SPD, Grünen und der Linken nachfrageorientierte Konzepte entgegenhalten können. Die Kopfpauschale von Rösler ist extrem unbeliebt – das Bürgerversicherungskonzept der Oppositionsparteien ist sozial gerecht, effizient und nachhaltig. In der Umweltpolitik (Solarkraft, Atomkraftwerke), der Sozialpolitik, der Bildung (BAföG versus Elitestipendien), der Entwicklungspolitik – fast überall lagen und liegen die Oppositionsparteien inhaltlich sehr nah beieinander. Unterdessen war die schwarz-gelbe Regierung selbst bei ihrer Haus- und Hofpresse in Verruf geraten. Alle Voraussetzungen wären gegeben gewesen,, konstruktiv zusammenzuarbeiten – und die sich bei den Landtagswahl gegebenen Möglichkeiten für rot-rot-grüne Koalitionen zu nutzen. Doch dies geschah bekannterweise nicht.


Weiterlesen auf GuardianoftheBlind.de

h1

Der Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit als Totschlagargument

2010/07/21

In der Diskussion zum vorherigen Artikel zu den vergangenen Volksabstimmungen kamen Argumente auf, dass deren Ergebnisse verfassungswidrig seien. Das dreigliedrige Schulsystem sei etwa verfassungswidrig, da Kinder von der Bildung ausgeschlossen würden, das Nichtraucherschutzgesetz in Bayern, da die freie Entfaltung der Persönlichkeit eingeschränkt würde, ohne dass dies durch den Schutz von Anderen ausreichend begründet würde.

Ich halte diese Argumente für nicht sehr tragfähig, und v.a. unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten für nicht zielführend oder angemessen. Man kann Entscheidungen auch politisch ablehnen, ohne ihnen zwanghaft eine Verfassungswidrigkeit andichten zu müssen. Die politische Linke täte gut daran, den Vorwurf der Verfassungswidrgkeit nicht als allgegenwärtiges Totschlagargument zu benutzen – wie es von rechts häufig genug getan wird, wie heute mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, dass die Partei Die Linek weiter vom Verfassungsschutz beobachtet werden darf.

Weiterlesen auf GuardianoftheBlind.de

h1

Polizeigewalt in Deutschland

2010/07/09

Amnesty International hat einen neuen Bericht mit dem Titel “Täter unbekannt – mangelnde Aufklärung von mutmaßlichen Misshandlungen durch die Polizei in Deutschland” (html, pdf, Zusammenfassung) vorgelegt. In diesem werden Fälle übermäßiger Polizeigewalt und Todesfälle in Polizeigewahrsam untersucht. Die Ergebnisse sind durchaus alamierend. Das gegenwärtige System, in welchem die Polizei unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft die Ermittlungen führt, könne danach keine umgehenden, unparteiischen, unabhängigen und umfassenden Untersuchungen aller mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei gewährleisten.

Weiterlesen auf GuardianoftheBlind.de

h1

Klassenjustiz

2010/05/29

Die Innenminister der Länder wollen das Strafmaß für Angriffe auf Polizisten von zwei auf drei Jahre erhöhen. Einige Unions-Innenminister wollen diese Regelung zudem für andere staatliche Berufe wie Feuerwehrleute, Rettungskräfte oder Gerichtsvollzieher eingeführt sehen. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger dagegen warnt, es dürfe  “kein Zweiklassenstrafrecht geben, das die Unversehrtheit von Polizisten höher bewertet als die von Bauarbeitern oder Bankangestellten”.

Weiterlesen auf GuardianoftheBlind.de

h1

Abwahnrecht

2010/05/05

[…]

Das deutsche Abmahnrecht ist längst zu einem wirkungsvollen Zensurmittel verkommen, durch das mächtige und v.a. finanzstarke Unternehmen oder Organisationen alle ihnen unliebsamen Meinungsäußerungen und auch wahre Tatsachenbehaupungen zu unterlassen quasi erpressen können, will man nicht einen jahrelangen und extrem teuren Rechtsweg auf sich nehmen, zudem mit äußerst ungewissem Ausgang. Denn die Rechtssprechung, v.a. die eines Gericht in einer deutschen Hansestadt landet, ist inzwischen berüchtigt. Abmahnunrecht wäre wohl ein passenderes Wort.

[…]

Den ganzen Artikel lesen auf GuardianoftheBlind.de

h1

Ohne Vorratsdatenspeicherung drohen uns ganz und gar unermessliche Gefahren!!!

2010/03/05

Nach dem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung beginnen die Medien bereits mit einer Kampagne, dass nun ohne eine Vorratsdatenspeicherung unermessliche Gefahren drohen könnten. Warum dies getan wird, liegt relativ nahe: man will unbedingt eine Neuauflage erreichen; und auch, dass dabei eher Panik geschürt statt sachlich berichtet wird, ist wenig überraschend.  Aber wie Politik, Sicherheitsbehörden und Medien dann genau vorgehen, ist dann doch relativ absurd.

(1)

Am Tag der Entscheidung des BVerfG waren bereits kurz nach der Urteilsverkündung die ersten Medlungen in den Radio-Nachrichten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dass Sicherheitsbehörden, Innenminister, CDU o.ä. das Urteil heftig kritisierten (und das wurde verkündet, noch bevor das Urteil überhaupt erst mal erklärt wurde), dass nun zehntausende (sic!) Verbrechen nicht mehr aufgeklärt werden könnten und unglaublich viele furchtbare und ganz unmittelbare Gefahren lauerten. Selbstverständlich wurde das dann auch so berichtet, als wäre es die objektive Wahrheit.

Diese „Nachrichten“ waren in keiner Weise um Neutralität oder Objektivität bemühte Meldungen, sondern ganz klare, überaus einseitige, aber in ihrer Plumpheit auch hoffentlich von vielen Zuhörern durchschaute Kampagnen. Im heute-journal kam nach einer anfangs sehr guten Einleitung dann aber in einem langen Interview ein Hardliner aus dem Bund der Kriminalbeamten (BdK) zu Wort. Ganz vorne bei der Propaganda mit dabei ist natürlich die Springer-Presse. Auch das ehemalige Nachrichtenmagazin schürt fleißig Panik, aber sogar die Süddeutsche beteiligt sich.

(2)

Im ganzen Internet (oder, wie es meist heißt, „Cyberspace“) drohe, so der Tenor dieser „Berichte“, an allen Ecken und Enden Online-Betrug, Kinderpornografie oder Terrorismus, überall werden ständig Anschläge geplant oder – ich weiß leider nicht mehr, ob es ZDF oder Deutschlandradio war – es werden sogar Einbrüche geplant (das haben die wirklich so gesagt!)! Ja, wer kennt das nicht, ein paar Minuten nur in diesem komischen Internetz sind schlimmer als ein Leben in den härtesten Bezirken von Rio de Janeiro oder den schlimmsten Ecken Johannesburgs! Wenn man da nicht Acht gibt, kann einem ja so gut wie alles passieren! Das Web ist böse.

(3)

Und v.a.: so gut wie alle denkbaren Verbrechen werden ja dort, wenn nicht begangen, so doch geplant, und auch abseits dieses Cyberspace droht nun, da die Vorratsdatenspeicherung erst einmal gestoppt ist, überall alles. Der bayrische Innenminister warnt sogar, dass der „rechtlose Zustand“ gar Menschenleben kosten könnte. Doch nicht nur mehr oder minder schwere Straftaten, die Latte wird gezielt immer weiter nach unten gesetzt. So beklagt der BdK (erwähnt in dem selben Spon-Artikel) , dass auch etwa Beleidigung im Internet nicht mehr aufgeklärt werden könnten. Und das, Zitat BdK, „können wir nicht hinnehmen“. Nein, das können wir nicht! Wo kämen wir denn da hin?Ganz Deutschland droht ja schon jetzt in Chaos und Verbrechen zu versinken! Alles ist jetzt möglich! Ob Einfuhrschmuggel von Waffen oder Betäubungsmitteln, oder angedrohte Amokläufe und Bombelegungen – überall sind nun der Polizei die Hände gebunden! Und man könnte nun selbst – und das wird tatsächlich von der Polizei so kommuniziert! – gegen Suizidankündigungen oder bei Vermisstenfällen nicht mehr vorgehen. Oder, ganz klar, man brauche die Vorratsdatenspeicherung, so der bayrische Innenminister, um „verunglückte Bergsteiger zu retten“. Die Grenzen zur Realsatire sind wirklich fließend.

Man muss es sich wirklich mal vor Augen führen: da werden wahllos auch noch so große Gefahren aufgebauscht, gar Gefahren für Menschenleben behauptet, von den gleichen Seiten dann aber auch direkt so etwas wie Betrug oder gar Beleidigungen quasi auf die selbe Stufe gestellt, und unsere Qualitätsmedien nehmen das alles völlig komentar- oder kritiklos hin. Und es stört auch nicht, dass dank dem BVerfG der Zugriff auf die Daten ja auch bisher auf schwere Straftaten beschränkt war und die Verfolgung oder Verhinderung der meisten genannten Delikte ja auch bisher gar nichts mit der Vorratsdatenspeicherung zu tun hatte (und es daher auch keine Veränderungen geben wird).

(4)

Es muss nicht erwähnt werden, dass dieses Strategien höchst unseriös sind und natürlich in erster Linier dazu dienen, bei den nicht so sehr mit Technik und v.a. dem Internet vertrauten Bürgern Panik zu schüren (etwas komisch mutet es dennoch an, dass etwa die Telefonverbindungsdaten kaum angesprochen werden). Dass der Satz „das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“ nun mal wieder an allen Ecken und Enden zu hören ist, versteht sich von selbst. Auf tatsächliche Argumente, Beweise, dass die Vorratsdatenspeicherung wirklich so nützlich in Verbrechensaufklärung oder -verminderung ist, wie behauptet wird, wartet man natürlich vergebens.

Kein Beispiel scheint zu absurd, kein Zusammenhang zu konstruiert, um die angeblichen Gefahren, die ohne Vorratsdatenspeicherungen drohen, an die Wand zu malen. Jedes Verbrechen oder Vergehen, jede Ordnungswidrigkeit kann genannt werden, gegen die man dann keine Handhabe mehr hätte – man muss sich nicht wundern, wenn demnächst z.B. illegaler Handel mit Atomwaffen, Autodiebstahl oder Nichtentfernen von Hundekot auf Bürgersteigen nun ganz bedrohlich würden, weil es keine Vorratsdatenspeicherung mehr gibt.

Denn das ist klar: niemand ist mehr sicher!!!

Bildquellen:

(1) Dirk Adler / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

(2) Vaguely Artistic / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/deed.de

(3) Bram  Opstaele / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/deed.de

(4) Cole  Henley / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/deed.de

[Diesen Beitrag kann man auch beim Auto-Anthropophag lesen.]

h1

Das Urteil zur Vorratsdatenspeicherung: ein „Ja, aber …“

2010/03/04

Das Bundesverfassungsgericht hat die derzeitige Praxis der Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt. Doch dies darf nicht täuschen: nur die Umsetzung wurde beanstandet (da sie unverhältnismäßig sei und  Sicherheits- und Datenschutzstandards verletze), eine Vorratsdatenspeicherung, so das Gericht, sei aber grundsätzlich zulässig. Konkret: eine anlasslose, vorsorgliche Speicherung von Daten sei „nicht schlechthin verfasungswidrig“ – man könnte das Urteil auch als eine Aufforderung, als ein „so nicht, anders gerne!“ auffassen. Es handelt sich also am Ende um einen Sieg für die Befürworter einer Vorratsdatenspeicherung.

Einziger Trost: das BVerfG hat recht hohe (inhaltliche wie technische und datenschutzrechtliche) Hürden für ein eventuelles  zukünftiges Gesetz gelegt. So müsse der Zugriff auf die Daten auf die Auklärung tatsächlich begangener schwere Straftaten und „zur Abwehr von Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit eines Landes oder zur Abwehr einer gemeinen Gefahr“ zulässig sein. Die Träume von Sicherheitspolitikern oder Privatwirtschaft werden sich also nicht erfüllen, auch etwa zur Verfolgung von Raubkopien oder Beleidigungen usw.  auf die Daten zugreifen zu können. Auch die Gefahr, dass etwa politisch unliebsame Personen und Gruppierungen überwacht werden, ist damit gebannt – zumindest vorerst.

(1)

Dennoch muss man es klar sehen: lange Zeit war das BVerfG einer der letzten Hüter der Bürgerrechte gegen die Bemühungen, einen umfassenden Überwachungsstaat zu etablieren. Doch nun hat es sich offenbar dem Zeitgeist gebeugt. Das Vorgehen,  Sicherheits- (oder auch Privatisierunggesetze) über die EU umsetzen zu wollen (eine Praxis, der das Gericht in der Vergangenheit äußerst skeptisch gegenüberstand) ist dabei nun wohl wieder Tür und Tor geöffnet. Denn das BVerfG ist einer Auseinandersetzung mit dem freiheitsbeschneidenden EU-Recht aus dem Weg gegangen. Darüber, ob dies aus fehlendem Mut, wie viele meinen, oder aus politischen Gründen geschah kann, soll hier nicht spekuliert werden: die Konsequenzen jedenfalls sind klar.

Zwar müssen die bisher gespeicherten Daten in Folge des Urteils nun unverzüglich gelöscht werden, aber auch das ist nur ein vorrübergehender Erfolg, der schnell getrübt werden kann. Denn es ist, schon aufgrund der EU-Richtlinie (sollte diese nicht tatsächlich doch noch geändert werden) leider davon auszugehen, dass es demnächst eine Neuauflage der Vorratsdatenspeiherung geben wird, mit ein paar kleinen inhaltlichen Schönheitskorrekturen. Wie vom Gericht verlangt. Und ob man sich etwa auf die FDP wird verlassen können, ist doch mehr als fraglich.

(2)

Es kommt also gerade jetzt darauf an, klarzumachen, dass die bisherigen Sicherheitsgesetze für die Anforderungen der Verfolgung, Aufklärung und Vermeidung von Verbrechen völlig ausreichend sind und die Speicherung der Verbindungsdaten aller Bürger einen völlig unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheit und die Bürgerrechte darstellt. Eine Datenspeicherung auf Vorrat, auch in einer etwas abgemilderten Form, darf es nicht geben. Man darf jetzt keine Ruhepause einlegen. Der Überwachungsstaat droht immer noch.

Weitere Kommentare zum Thema:

Urteil zur Vorratsdatenspeicherung: Verfassungsrechtlicher Opportunismus (eine sehr detaillierte Analyse des Urteils durch Wolfgang Lieb auf den NachDenkSeiten)

Das vorläufige Stopp-Schild für die Vorratsdatenspeicherung (ebenfalls sehr weitreichende Analyse bei Ravenhorst, mit einer umfassenden Übersicht weiterer Stellungnahmen zum Thema)

Das Urteil aus Karlsruhe (F!XMBR)

Bildquellen:

(1) Wikipedia (Benutzer: Evilboy) / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/

(2) John-Paul Bader / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de

h1

Ein Sieg für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte

2010/02/13

Die erfolgreiche Verhinderung der Nazi-Demo in Dresden hat gezeigt: wenn sie zusammenarbeiten und gemeinsam protestieren, können die Gegner des Rechtsextremismus, seien es radikale Linke oder Christdemokraten, Antifa oder Kirchen, verhindern, dass diese ihre menschenverachtende NS-Ideologie, ihren Rassismus und Antisemitismus, ihre Lügen und Geschichtsfälschungen, verbreiten können.

Bevor Dresden brannte, brannte Sempers Synagoge, brannten Warschau, Rotterdam und Coventry. Diese Wahrheiten müssen den Ewiggestrigen entgegengehalten werden. Dresden will sie nicht.
Helma Orosz, Oberbürgermeisterin Dresden

Der heutige Tag ist ein Sieg für alle, denen Demokratie, Freiheit und Menschenrechte wiklich am Herzen liegen. Und die dies zeigen, indem sie dafür eintreten und dafür kämpfen. Denn sie sind keineswegs einfach so gewährleistet. Und die Verhinderung der Demo hat auch deutlich gemacht, dass Teile der Justiz und der exekutiven Behörden, die im Vorfeld allem Anschein nach eine Kriminalisierung jeglichen antifaschistischen Protests bestrebten und mit diversen Einschüchterungstaktiken dessen Unterbindung versuchten, nicht erfolgreich sein können, wenn genug Menschen bereit sind, tatsächlich für ihre Überzeugungen und jenseits legalistischer Formalia für moralische Werte einer Gesellschaft einzustehen.

Die Zivilgesellschaft wird man nicht kleinkriegen können, das sieht man an den mutigen Demonstranten, die trotz der Anschuldigung der angeblichen Illegalität und trotz der massiven Gefahren nach Dresden gekommen sind. Die Mittel ihres Protestes waren ebenso vielfältig und kreativ, wie sie auch allergrößtenteils friedlich waren: Gedenkveranstaltungen, Kundgebungen, Menschenketten, und freidliche Blockaden möglicher Demonstrationsrouten. Aber, auch das muss gesagt werden, auch der Polizei muss gedankt werden, dass sie es schaffte, Gewalttätigkeiten zum größen Teil einzudämmen und schließlich den braunen Marsch trotz offener Drohungen und gewalttätige Übergriffe der Neonazis zu unterbinden.

Doch der Kampf gegen den Rechtsextremismus darf sich nicht nur auf die Straße beschränken. Der Aufschwung der rechtsradikalen und rechtsextremen Parteien in fast allen Ländern Europas in den letzten Jahren zeigt, dass wir uns keineswegs in Sicherheit wiegen dürfen. Auch bei uns existieren rassistische Vorurteile und rechtsextreme Meinungen und Einstellungen. Und auch die Relativierung rechtsextremer Gewalt, die regelmäßig Menschenleben fordert, etwa indem man sie mit linker Gewalt (also meist Sachbeschädigungen )gleichsetzt, indem man sie als „überschätzt“ herunterspielt, kundtut, dies seien bloß „Hakenkreuzschmierereien“ (oder sich, wenn man dem Bericht der Zeit glauben kann, im Fernsehen mit einem Neonazi „argumentativ die Bälle zugespielt“ hat): und all das von einem Mitglied der Bundesregierung, und auch noch dem, das für die Bekämpfung des Rechtsextremismus zuständig ist (oder: sein sollte?). Wir dürfen auch davor nicht die Augen verschließen. Der äußerste rechte Rand darf keinen Einzug in den Mainstream einer Gesellschaft und eines Staates halten.

Denn es ist klar, wer die Opfer sein werden. Wenn Nazis von Freiheit reden, dann meinen sie Freiheit zum Hass und zur Lüge, wenn sie von Demokratie sprechen, dann meinen sie Autoritarismus und „Führertum“, und wenn sie einmal von Menschenrechten reden sollten, dann wollen sie diese nur für einen Teil der Menschen. Wir dürfen in der Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht nachlassen.

Auch erschienen beim Auto-Anthropophag