Posts Tagged ‘Finanzpolitik’

h1

Guttenberg, Schäuble und die “vierte Gewalt”

2010/11/23

Zwei aktuelle Beispiele verdeutlichen einmal mehr, wie es seit langem um die deutschen Medien, die sich gerne selbst als „vierte Gewalt im Staat“ sehen und bezeichnen, bestellt ist: Sie sind längst keine kritische Gegenmacht zur Staatsgewalt mehr, sind kein auch nur irgendwie neutraler oder objektiver Beobachter, sondern gezielte Stimmungsmacher für bestimmte Interessen. Für eine fast deckungsgleiche Auffassung, als deren Konsequenz Horst Köhler noch zurückgetreten war (die Befürwortung von Wirtschaftskriegen) erntet zu Guttenberg ausschließlich Lob. Wolfgang Schäuble jedoch wird ein eher lässlicher Aussetzer schwer angelastet.

Zu erklären ist dies wohl nicht nur durch persönliche Faktoren und einen unterwürfigen Personenkult der deutschen Presse, sondern auch durch politische Gründe: Während Schäuble Steuersenkungen im Weg steht, ist Guttenberg ganz auf wirtschaftsliberaler Linie.

Guttenberg und Wirtschaftskriege

Guttenberg hatte am 9. November Militäreinsätze zu Gunsten deutscher Wirtschaftsinteressen befürwortet. Er plädierte für einen “unverkrampften Umgang” mit wirtschaftlichen Interessen in der Sicherheitspolitik, mit denen man “offen und ohne Verklemmung” umgehen solle und sprach dabei von Sicherung der Handelswege und der Rohstoffquellen. Wir erinnern uns: Für seine Forderung, dass Deutschland zur Absicherung seiner wirtschaftlichen Interessen auch militärische Einsätze durchführen sollte, hatte der damalige Bundespräsident Köhler heftige Kritik geerntet, auch von breiten Teilen der deutschen Medien. Aufgrund dieser Kritik war er dann auch zurückgetreten. Guttenberg nun verteidigte dann auch ausdrücklich Köhlers Aussage, dieser habe “über etwas Selbstverständliches” gesprochen. Im Gegensatz zu Köhler gab es nun jedoch so gut wie kaum ein Echo in den deutschen Medien. Wenn es Kommentare gab, so wurden zu Guttenbergs Aussagen meist schöngeredet, und gar verteidigt.

Weiterlesen auf GuardianoftheBlind.de

h1

Die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts

2010/11/18

Wenn er einmal etwas anderes hören wolle, als was 90% der Ökonomen in Deutschland erzählen, solle er Heiner Flassbeck einladen – dann könne man sich selbst ein Bild davon machen, wer Recht hat. So leitete Felix Hofmann vom AStA der Universität Trier einen Vortrag von Heiner Flassbeck zum Thema “Die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts” ein. In einem prall gefüllten Hörsaal sprach dieser am Montag über die Weltwirtschaft im 21. Jahrhundert, über internationale Krisen der Wirtschaft und der Umwelt, und über Maßnahmen jenseits des neoliberalen Mainstreams in den deutschen Wirtschaftswissenschaften. Eine Aufzeichnung des Vortrages (MP3) ist hier zu finden.

Jahrhundert der Krisen

Flassbeck erläuterte zunächst, dass die Welt zurzeit mehrere ernste Krisen durchlaufe, so beispielsweise eine Umwelt-, eine Handels-, eine Arbeitsmarkt- und eine Finanzkrise. Die Finanzkrise habe eine der schlimmsten weltweiten Krisen überhaupt dargestellt. Dennoch, so merkte er an, habe es in Folge der Finanzkrise, anders als bei anderen vergleichbaren Ereignissen, nicht etwa Untersuchungskommissionen gegeben, und noch nicht einmal Diskussionen über die Ursachen oder etwa über die “Systemrelevanz“ von Banken. Vor zweit Jahren seien alle auf einmal Keynesianer gewesen. Heute wollen viele davon nicht mehr wissen und vertrauen wieder der neoliberalen Lehre.

Ein zentrales Thema des Vortrages waren die internationalen Finanzmärkte. Die meisten internationalen Rohstoffpreise sind nicht von realem Angebot und realer Nachfrage bestimmt, sondern “financialized”, werden auf Finanzmärkten bestimmt, und sind damit auch für Spekulationen anfällig. Die Spekulation auf Nahrungsmittel hatte im Jahr 2008 zu einer weltweiten Hungerkrise und zu Toten geführt. Anders, als es die Finanzinstitute ursprünglich vorhatten, als sie sich auf den Rohstoffmarkt ausbreiteten, diversifizierten sie nicht das Risiko, sondern potenzierten es im Gegenteil. Ob Rohstoffpreise, Devisen, Staatsanleihen, Aktien: Sie alle werden auf Finanzmärkten gehandelt – und sie alle folgen in ihrem Trend fast haargenau den gleichen Zyklen. Gibt es auf einem Markt eine Krise, geht die mit Krisen auf allen anderen einher, gibt es einen Aufschwung ebenso. Seit März 2009 geht es auf ihnen allen wieder bergauf – die Frage ist jedoch, wie lange, bis dass die nächste Spekulationsblase platzen wird.

Flassbeck zeigte anhand des Beispiels Island, wie Finanzmärkte und Spekulationen ganze Länder zerstören können. Gerade das Währungssystem sei völlig aus den Fugen, repräsentiere oft nicht die tatsächlichen Verhältnisse. Hier besteht Handlungsbedarf, wollen wir nicht blindlings in die nächste große Krise hineinlaufe. Flassbeck plädiert hier für ein internationales Währungsregime. Diesen Vorschlag hatten er und Wolfgang Filc schon 1998 gemacht und waren damals von der Mainstream-Presse in Deutschland behandelt worden wie Häretiker. Nun jedoch haben die USA genau den selben Vorschlag gemacht. Der Kommentar der deutschen Regierung, namentlich von Wirtschaftsminister Brüderle, lautete platt, das wäre ja „Planwirtschaft“.

Ein weiteres Thema war die Klimakrise. Um die massive Umweltbelastung durch die CO2-Emissionen einzudämmen, müssten als wichtigster Schritt die Ölpreise von den Finanzmärkten entbunden werden – und sie müssten steigen. Überlasse man sie den Finanzmärkten, bestehe die Gefahr, dass diese stark sinken würden und die Investitionen in erneuerbare Energien dadurch unfinanzierbar und unrentabel würden. Hier müssten die Regierungen weltweit eingreifen.

Deutschland als Bedrohung für den Euroraum

Besonders wichtig war Flassbeck die Feststellung, dass Deutschland mit seinen Außenhandelsüberschüssen ein Risiko für den Euro und die Weltwirtschaft darstelle. Deutschland habe hier selber gegen die EU-Richtlinien verstoßen: Diese hatten ein Inflationsziel von 2% vorgesehen. Deutschland habe dies unterlaufen, es habe mit einer restriktiven Lohnpolitik (siehe unten) seine Währung abgewertet. Er äußerte sogar die Prognose, dass die Eurozone auf längere Sicht nicht bestehen könne, wenn dieses Problem nicht gelöst werde. Deutschland müsse seinen Außenhandelsüberschuss abbauen, indem es seine Löhne erhöhe und die Binnenachfrage stärke. Die Defizitländer in der EU sollten nicht zu Lohnsenkungen greifen, da damit ihre Nachfrage einbrechen würde, sondern moderate Lohnsteigerungen vornehmen.

Weiterlesen auf GuardianoftheBlind.de

h1

Aktuelle Hinweise: Atomkraft und Castor-Transporte, Vermögenssteuer, Lobbypedia

2010/11/03

Aktuelle Aktionen, Aufrufe und Hinweise: Gegen die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke und für die Förderung regenerativer Energien, Aktionen und Demonstrationen rund um den Castor-Transport, eine Initiative für die Einführung einer Vermögenssteuer und ein neue Online-Lexikon zum Lobbyismus in Deutschland

auf GuardianoftheBlind.de

h1

Ein Jahr Schwarz-Gelb – eine Bilanz

2010/10/28

Die schwarz-gelbe Bundesregierung ist heute auf den Tag ein Jahr im Amt. Wie fällt ihre Bilanz aus?  Hier sollen ein paar der wichtigsten Programme und Maßnahmen der letzten zwölf Monate, Positives und Negatives, zusammengestellt werden, geordnet nach dem Ressort (Ministerium).

Eine Benotung der Kabinettsmitglieder darf bei so etwas natürlich auch nicht fehlen. Einmal habe ich eine, natürlich rein subjektive, Bewertung abgegeben, in umgekehrter Schulnotenform (1 Punkt = Note 6, 6 Punkte = Note 1). Aber natürlich können auch die Leser ihre Stimme abgeben (auf die jeweilige Anzahl Sterne und dann noch auf “Submit” klicken!). Ich bin mal gespannt, wie ihr die Leistung der einzelnen Regierungsmitglieder seht!

Bundeskanzlerin

(Bildquelle: Merkelizer / CC-BY-NC-SA 2.0)

Negatives: Ideale, Ziele oder politische Ideen hatte  Angela Merkel sowieso noch nie. Ziel ist nur, so lange wie möglich an der Macht zu bleiben. Merkel turnte ein wenig auf internationalen, und vor allem auf europäischen Konferenzen rum. Dort hat sie aber, unter anderem durch ihr Zögern bei der Griechenlandkrise, riesigen Schaden angerichtet. Sie tut alles, damit sich Europa auf eine ausschließlich wirtschaftsliberale Linie festlegt. Im Innern bestimmen eh andere die Leitlinien der Politik. Worauf es ihr ankommt, ist ihre hierhin-dorthin-Politik irgendwie zu verkaufen. Doch auch das gelingt ihr immer weniger.

Positives: In vielen Bereichen ist es ihr gelungen, die völlig abwegigen Vorstellungen der FDP zu verhindern und mäßigend zu wirken. Auch die (rechts-, national-) konservativen Flügel der Unionsparteien konnte sie eindämmen.

Bewertung (Guardian of the Blind):

2 von 6

 

Weiterlesen und benoten auf GuardianoftheBlind.de

h1

Hartz 4½ – Teile und herrsche

2010/09/28

Nun ist also bekannt, wie die Bundesregierung die ALG-II-Regelsätze künftig regeln will. Es wird eine geringfügige Erhöhung geben – für einen alleinstehenden Hartz-IV-Empfänger um fünf Euro. Dies bedeutet dann 364 statt bisher 359 Euro. Grundlage ist dabei die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 des Statistischen Bundesamtes – diese jedoch nun mit zahlreichen Kürzungen. Alkohol und Tabak werden künftig nicht mehr mit einberechnet – jedoch auch Tierfutter, Blumen oder Handys werden nun nicht mehr zugestanden. Die nur fünf Euro Erhöhung erscheinen so viel eher politisch (willkürlich) gewollt als mit Argumenten begründet.

Erinnern wir uns: Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar dieses Jahres entschieden, dass die bisherige Berechnung der Hartz-IV-Sätze grundgesetzwidrig sei. Jedem Bürger stehe ein menschenwürdiges Existenzminum zu. Das bedeutet:

Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.

Das Urteil besagte nicht, mit welcher Methode die Regelsätze künftig ermittelt werden sollten. Die Bundesregierung entschied sich nun, weiterhin einen statistischen Warenkorb zugrunde zu legen. Doch hier gibt es schon eine erste Abweichung – und die zeigt, dass es eine politische Entscheidung war, dass die Erhöhung nicht zu stark ausfallen sollte: statt der ärmsten 20% der Haushalte werden nun bei der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe die ärmsten 15% zugrunde gelegt – was die Beträge natürlich sinken lässt.

Was aber noch wichtiger ist: das Existenzminimum wird weiterhin nicht (absolut) definiert, es bleibt abhängig vom Lohnniveau – und damit auch vom wachsenden Niedriglohnsektor in Deutschland. Sinken die Einkommen und damit die Ausgaben der ärmsten Haushalte in Deutschland, sinkt so auch das durch Hartz IV zu gewährleistende Existenzminimum. Und so könnte es natürlich auch schon jetzt der Fall sein, dass ein menschenwürdiges Existenzminimum, wie es das Verfassungsgericht definiert, auch jetzt nicht gewährleistet ist.

Weiterlesen auf GuardianoftheBlind.de

h1

Armutserklärung Deutschlands

2010/09/28

Die Bundesregierung hat leider kein Geld mehr übrig. Jedenfalls kein Geld für eine Hartz-IV-Sätze, die den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügen. Und auch kein Geld für die Bekämpfung von Hunger und Armut auf der Welt, und für die Erfüllung der übrigen Milleniumsziele der UNO. Dafür sei kein Geld da, heißt es lapidar aus dem Kanzleramt. Klar, denn das Geld wurde ja viel dringender benötigt: für Günstlingswirtschaft und Klientelinteressen, für Bankenrettungen und Staatsgarantien, für Subventionierungen und Gewinngarantien, von der Atomindustrie über die Pharmakonzerne bis hin zu Hoteliers. Nun ist die Kasse eben leer – so wie es die Neoliberalen immer gewollt haben. Bei den Ärmsten der Welt wird nun gespart.

Vor 10 Jahren hatten sich alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verbindlich auf die sogenannten Milleenniumsziele zur Verringerung der globalen Armut geeingt, die bis 2015 erreicht werden sollten. Der jetzige Zwischengipfel war eine einzige Enttäuschung. Die meisten versprochenen Ziele werden so nicht erreicht werden können. So werden die Halbierung Zahl der Menschen, die von unter 1,25 Dollar am Tag leben, die Halbierung der Zahl der Hungernden, die Reduzierung der Sterblichkeit von Müttern, die Grundschulbildung, die Bekämpfung von AIDS und anderen Krankheiten, der Zugang zu Sanitäranlagen, die Gleichberechtigung und die Höhe der Entwicklungshilfe der Industrieländer wohl kaum erreicht werden. Teilerfolge sieht man lediglich bei der Reduzierung der Kindersterblichkeit und dem Zugang zu sauberem Wasser (Schweizer Fernsehen: Acht UNO-Ziele sollen bis 2015 umgesetzt sein, via Erlkönig). Das ist der sehr ernüchternde Stand bisher. Und die Zukunft bietet wenig Hoffnung auf Besserung. In der Abschlusserklärung des Millenniumsgipfels 2010 gab es keine konkreten Verpflichtungen oder finanziellen Zusagen.

Weiterlesen auf GuardianoftheBlind.de

h1

Eine Steuer gegen die Armut

2010/02/22

http://www.youtube.com/watch?v=laS_UOGbOmU

Ein internationales Netzwerk aus Nichtregierungsorganisationen, kirchlichen und  gewerkschaftlichen Gruppen hat eine weltweite Internet-Unterschriftenkampagne (gerichtet an die Staats- und Regierungschefs der G 20) für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, einer Umsatzsteuer auf den Handel mit Finanzvermögen, gestartet. Auf steuergegenarmut.de kann man die Kampagne unterschreiben.

Eine, wie ich denke, absolut unterstützenswerte Aktion. Eine derartige Steuer würde durch eine Eindämmung von Spekulationstätigkeiten das Finanz- und Wirtschaftssystem stabilisieren helfen. Und, wie im Video dargstellt, würden schon bei einer Höhe der Steuer von 0,05 Prozent pro Geschäft Einnahmen von über 100 Milliarden Euro pro Jahr zusammenkommen. Mit diesem Geld könnte man sehr viel gegen die weltweite Armut, gegen Hunger und Elend, gegen Umweltverschmutzung und Klimawandel beitragen.


h1

10 Jahre Attac Deutschland

2010/01/22

10 Jahre Attac – 10 von vielen!

Heute vor 10 Jahren wurde Attac Deutschland gegründet. Das globalisierungskritische Netzwerk setzt sich seitdem für einen gerechten Welthandel und für eine Solidarität mit den Entwicklungsländern ein. Es kämpft dafür, dass die Globalisierung allen Menschen zu Gute kommt, gegen weltweite Ungerechtigkeit, gegen Umweltzerstörung,  gegen Privatisierungen und Sozialabbau ein, und dies ohne Hierarchien und ohne Geklüngel, sonden mit kreativen Protestaktionen und durchdachter konzeptioneller Arbeit.

Grund auch für mich, die allerherzlichsten Glückwünsche auszusprechen – war es doch gerade Attac, wo ich selbst erstmals politisch aktiv wurde, wo ich gegen den Irak-Krieg oder Hartz IV demonstriert hatte und wo ich – vielleicht sogar in allererster Linie – sehr viel über politische Inhalte gelernt habe. Doch die 10 Jahre Attac sind nur ein kleiner Zwischenschritt – haben sich doch die Verhältnisse, die Attac seit seiner Gründung kritisiert und für die es Lösungsvorschläge erarbeitet, seitdem nicht grundlegend verändert.

Brauchen wir Attac noch?

Selbst von den Seiten gerade der Politiker und der Presse, die Attac früher gerne wahlweise als randalierende und gewalttätige Autonome, verblendete Linksextreme (ganz egal, dass dort etwa auch Heiner Geißler Mitglied ist)  oder halluzinierende Sozialromantiker diffamiert hat, hört man nun tatsächlich, dass Attac eigentlich immer schon Recht hatte (inwiefern dies auf echter Einsicht in Folge der Ereignisse um das Entstehen und den Verlauf der Finanzkrise beruht, sei mal dahingestellt).

http://www.flickr.com/photos/stoller/ / CC BY 2.0

Die Finanzmärkt müssen reguliert werden, dass fordert Attac seit seiner Gründung, daher der Name, und das hat sich nun für alle offensichtlich als richtig erwiesen. Denn daran besteht kein Zweifel: der völlig entfesselte Finanzmarktkapitalismus hat uns die größte Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit beschert. Doch dieser ist nur ein Teil des neoliberalen Projekt, dass seit nunmehr fast 30 Jahren die weltweite Armut und Ungleichheit vergrößert, zu einer instabilen Wirtschaft geführt und Armut und Hunger vergrößert hat. Eine Finanztransaktionststeuer wird nun zwar von fast überall (selbst von Seiten der Union gefordert), aber ob diese wirklich (und v.a. weltweit) umgesetzt werden, ist eine andere Frage. Auch wenn Obama sehr sinnvolle Regeln für die Finanzmärkte plant – eine Steuer auf Finanztransaktionen ist nicht vorgesehen. Es läuft bisher weitgehend weiter wie vor der Krise. Und in Deutschland wird außer ein paar leeren Phrasen der Regierungspolitiker nichts geschehen. Viele reden inzwischen ähnlich wie Attac, wenige handeln entsprechend. Außerdem: sollten in einem Feld wirklich Forderungen von Attac zumindest teilweise erfüllt werden, was wir alle nur wünschen können, ist dies eben genau kein Grund, deshalb nachzulassen, sondern es zeigt, dass sich kompetent erarbeitete richtige Analysen und sinnvolle Ideen tatsächlich durchsetzen können – und dass eine andere Welt nicht nur wünschenswert, sondern in der Tat auch möglich ist.

Quelle: Attac

Doch es gibt noch viel zu tun: Der Klimagipfel von Kopenhagen hat keine Fortschritte gebracht, die Probleme sind dringender denn je. Wenn es so bleibt, wird der Klimawandel mit all seinen verheerenden Auswirkungen nicht einmal geringfügig eingedämmt werden können. Die Machthabenden der Welt haben ein schier unglaubliches Maß an Egoismus, kurzfristigem Denken und Unverantwortlichkeit an den Tag gelegt. Der Vertrag von Lissabon macht die EU zur Bastion des neoliberalen Kapitalismus. Die Privatisierungswelle für alles, was man zu Geld machen kann, und sei es auch das Trinkwasser, schreitet weltweit weiter voran, und sie ist auch in Deutschland nicht beendet. Die neue Bundesregierung hat ein Programm aufgelegt, dass allen Vorstellungen von sozial gerechter, wirtschaftlich sinnvoller oder auch nur rational gestalteter Politik Hohn spricht: Hartz IV-Verschärfungen, Kopfpauschale, lupenreine Klientelpolitik sind nur ein paar Besispiele der derzeitigen Situation. Und nicht zuletzt in Zeiten, in denen ein radikal-wirtschaftsliberaler wie Dirk Niebel Entwicklungsminister ist, kann Attac nicht überflüssig werden.

Eine andere Welt ist möglich

Attac Norwegen unter CC-BY-SA 3.0

Die Regulierung der Finanzmärkte ist zwar sinnvoll, doch gehen die Vorstellungen von Attac weiter: die Einnahmen aus dieser Steuer sollen für Entwicklungszwecke verwendet werden. Denn die Entwicklungsländer leiden nicht nur unter Naturkatastrophen, sondern auch unter ungerechten Strukturen im Welthandel, und diese bestehen nach wie vor. Sie bestehen etwa aus hohen Agrarsubventionen und tarifären wie nichttarifären Handelshemnisse der Industrieländer, die die wirtschaftlichen Chancen des Südens unterminieren. Der Norden dominiert die Bretton-Woods-Organisationen, die WTO funktioniert immer noch als einer der ersten Agenten des Marktradikalismus und als Vehikel der Interessen transnationaler Konzerne.

Die Welt wird immer reicher, doch der Abstand zwischen Arm und reich nimmt (innerhalb der Staaten, zwei- bis dreimal so viel aber zwischen ihnen) zu. Gerade die Entwicklungsländer in Afrika und Südasien haben – so ist das Ergebnis aller Studien zu dem Thema – nicht von der Globalisierung der Weltwirtschaft profitiert, oft hat sie ihnen sogar eher geschadet.

Dabei bietet die  Globalisierung, wenn sie gerecht gestaltet ist, durchaus auch Chancen für die Entwicklungsländer, denn sie ist kein unveränderbares Naturgesetz, sie ist von Menschen historisch gestaltet und beeinflusst worden und sie ist immer noch gestalt- und veränderbar. Die Globalisierung kann als Prozess kaum aufgehalten werde, aber es liegt an uns, sie so gut wie möglich auf das Ziel zu gestalten, dass ein menschenwürdiges Leben für alle Menschen auf der Welt realisiert werden kann, und eines, in dem wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen nicht zerstören. Eine andere Welt ist möglich.

h1

Die deutsche Wirtschaft im Teufelskreis?

2010/01/08

Schleche Aussichten für die  Wirtschaft und die Beschäftigung in Deutschland dieses Jahr. Noch schlechter, wenn die Politik nicht (und danach sieht es leider aus) auf sinnvolle Vorschläge, wie die des IMK, hören sollte:

Die deutsche Wirtschaft könnte im neuen Jahr in einen Teufelskreis der Konjunktur geraten. Das befürchten zahlreiche Experten. Steigende Arbeitslosigkeit führe zu sinkender Kaufkraft und zusätzlich zu einem „Angst-Sparen“. Dies wiederum lasse die Umsätze von Handel und Herstellern schrumpfen und beschleunige den Jobabbau.

Aus diesem Grund muss nach Einschätzung des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Aufschwung weiterhin „dringend“ mit einer expansiven Geld- und Finanzpolitik unterstützt werden. „Sonst ist das Risiko groß, dass die konjunkturelle Belebung in diesem Jahr eine Episode bleibt“, warnt der Chef des Instituts, Gustav Horn. (…)

Die politischen Weichenstellungen der vergangenen Monate weisen aus IMK-Sicht in die falsche Richtung. „Geld, das in gesamtwirtschaftlich wenig sinnvolle Steuersenkungen fließen soll, fehlt für Maßnahmen, die wirklich Wachstum bringen“, betonte Horn. Stattdessen sollte die Politik den langjährigen Stau bei den öffentlichen Investitionen auflösen und sowohl in Infrastruktur als auch in Bildung investieren. (…)

Warnsignale kommen aus den anderen Staaten der Euro-Zone. Im Oktober waren die Industrieaufträge in der europäischen Industrie um 2,2 Prozent gesunken – und damit ähnlich stark wie in Deutschland. Für die Konjunkturentwicklung besonders prekär: Am stärksten schrumpften die Investitionsgüterbranchen, also vor allem der Maschinenbau.

Frankfurter Rundschau: Teufelskreis der Konjunktur (via NachDenkSeiten)

h1

Für eine echte Rückkehr des Keynesianismus

2009/12/20

Die IG Metall fordert ein Zukunftsinvestitionsprogramm in Höhe von 100 Milliarden Euro zur Wirtschaftsankurbelung von der Bundesregierung. Damit sollen technologische Innovationen gefördert und krisengeschüttelte Unternehmen unterstützt werden.

Nun ist an sich ein staatliches Investitionsprogramm für uns Keynesianer erst einmal eine gute Idee. Einfach gesprochen: ein antizyklisches Verhalten, wobei der Staat in einer Konjunkturkrise seine Ausgaben hochfährt, um die Krise zu überwinden und die Konjunkturzyklen abzuflachen, anstatt die Schwankungen zu verstärken, indem er in Krisenzeiten spart (prozyklisch), ist durchaus als sinnvoll und als notwendig zu betrachten. Schade ist, dass die Neoliberalen mit dem üblichen Hinweis auf die „Staatsschulden“ die veröffentlichte Meinung direkt wieder auf ihre Seite ziehen werden. Dabei gibt es in einer Konjunkturkrise deutlich dringlichere Probleme. Natürlich sollte der Staat bei einer Erholung und einem Wiederaufschwung der Wirtschaft die Ausgaben wieder hinunterfahren und die Staatsverschuldung abbauen. Dass dies in der Vergangenheit nicht immer passiert ist, ist ein politisch zu erklärendendes Problem und keine grundlegende Schwäche des Keynsianismus, wie die Neoklassiker es behaupten. (Natürlich soll das Problem nicht kleingeredet werden, aber schaut man sich einmal die Auslandsschulden an, so sieht man, dass Deutschland eine positive Bilanz hat. Die Inlandsschulden sind im internationalen Vergleich nicht beonders hoch und v. a. eine Verteilungsfrage).

Ein bisschen hat in Folge der Finanzkrise ja auch die letzte und sogar diese Bundesregierung eingesehen, dass der Staat zur Konjunkturentwicklung gegensteuern muss. Aber: natürlich sollte Geld sinnvoll ausgegeben werden – keine Schulden um der Schulden willen – und nicht für reine Klientelpolitik. Ein echtes „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ wäre natürlich zur Zeit durchaus geboten, trotz des albernen Namens, und auch wenn natürlich Wirtschaftswachstum kein Allheilmittel an sich ist, und auch wenn das Wachstum seine Grenzen hat und möglichst nachhaltig vonstatten gehen solle. Romantisierende Vorstellungen mögen ja ganz nett sein bei einem Gespräch beim Bio-Latte im netten Café im Prenzlauer Berg – zur Verbesserung des weltweiten Wohlstandes ist Wirtschaftswachstum unerlässlich. Und dies kann durchaus auch nachhaltig geschehen. Umwelttechnologien sind zwar das gern bemühte, aber auch das beste Beispiel. Das derzeitige Wachstumsbeschleunigungsgesetz jedoch ist wie gesagt reine Klientelpolitik. Entlastungen für die Besserverdienenden, Subventionen für eine einzelne lobbystarke Dienstleistungssparte – dies wird kaum jemandem nützen außer den Privatkonten der Hoteliers, wo sie schon zugesichert haben, die Subventionen keinesfalls an die Kunden weitergeben zu wollen. Nicht mal aus neoliberaler, angebotsorientierter Sichtweise ist diese Maßnahme sinnvoll.

Nachfrageförderung wäre ja zur Abwechslung mal was. Was fordert aber die IG Metall? Innovationsförderung, sicherlich, das ist eine sinnvolle Maßnahme. Sie sollte es jedoch immer sein, als staatliche Aufgabe, und nicht nur in Krisenzeiten. Aber ansonsten?

Huber plädierte dafür, die Metall- und Elektrobranche als industrielle Kerne zu schützen, um nach der Krise wieder Wachstum und Beschäftigung voranzutreiben. Ein Investitionsprogramm sei dafür dringend nötig.

Wieder eine Subventionierung einzelner Zweige, diesmal der Industrie. Ein Schutz von Branchen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren, möglicherweise. Wie lange dies langfristig volkswirtschaftlich sinnvoll ist, erscheint nebensächlich. Werden nichtwettbewerbsfähige Industrien geschützt (auc wenn es geschieht, um Aebeitsplätze zu sihcern), folgen strukturelle Defizite – abnehmende Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft der Volkswirtschaft. Aber es komt noch was:

Huber kündigte zugleich für die im Frühjahr 2010 anstehenden Tarifverhandlungen mit den Metall-Arbeitgebern zurückhaltende Lohnforderungen an. Voraussetzung dafür seien aber verlässliche Vereinbarungen zur Sicherung der Arbeitsplätze. Sollte dies nicht gelingen, würden die Lohnforderungen deutlich höher ausfallen, sagte er.

In den letzten 20 Jahren gab es eine „Lohnzurückhaltung“ der deutschen Gewerkschaften – was real ein Sinken der Löhne um knapp 2 Prozent bedeutete, während die Einnahmen aus Gewinnen und Vermögen sich in dieser Zeit verdreifachten. Deutschland hat eine extrem starke Exportwirtschaft, ja – die Inlandsnachfrage jedoch ist auf einem niedrigen Niveau. Zudem macht die Exportabhängigkeit anfällig für Schwankungen und Krisen.

Nein, eine echte Nachfrageförderung, Lohnsteigerungen, Entlastungen und Zuschüsse für untere Einkommensschichten, das ist notwenidig und sowohl wirtschaftlich und sozial sinnvoll. Denn, kurz gesagt, jeder Euro mehr in diesen Einkommensgruppen kommt unmittelbar dem Konsum und damit der Volkswirtschaft zugute. Die Angebotsseite wurde 27 Jahre lang entlastet, die Steueren für Unternehmen und Großverdiener wurden stets gesenkt, ebenso die Arbeitnehmerrechte. Gebracht hat es uns Arbeitslosigkeit, eine weitere Staatsverschuldung, eine Umverteilung von unten nach oben und einen verkrüppelten Sozialstaat. Und die Investitionsquote ist trotz alle gering geblieben.Einzig die Inflationsquote ist niedrig, und das ist für die neoliberalen Monetaristen das wichtigste. Dabei ist die Inflation wirklich das geringste, worum wir uns Sorgen machen müssen. Eine gewisse Inflation ist sogar durchaus nützlich für die Wirtschaft. Eine Deflation dagegen durchaus gefährlicher. Nein, es ist Zeit für die Nachfrageseite, für eine Umverteilung von oben nach unten. Es ist Zeit für eine echte Rückkehr des Keynesianismus.